
Autorin MarieOn schrieb für die Anthologie "Mein Hund und ich".
Hommage an meinen besten Freund
Du bist, das am wenigsten verstandene Wesen, unterschätzt und oftmals verachtet. Der räudige Köter, der lästige Kläffer, der bedrohliche Beißer.
Wer sich tief auf dich einlässt und dein Verhalten zu lesen vermag, dem schenkst du ein lebenswertes Leben, das erfüllt ist von deiner Treue, Loyalität und Ehrlichkeit. Niemanden betrachten wir so zwiespältig wie dich, entweder wir lieben dich oder wir hassen dich. Dein Ursprung ist im Wolf beheimatet, den der eine sentimental verklärt als einsamen Jäger, als zähen Kämpfer verehrt. Der andere sieht in ihm das anpassungsfähige überaus soziale Tier, das stets dem Wohle der Allgemeinheit dient.
So vielfältig wie wir Menschen sind, so vielzählig sind mittlerweile die Arten, die wir aus dir gezüchtet haben. Bei einigen Arten war uns das Aussehen wichtiger als deine Gesundheit und so wurde deine Hüfte nach unten gezüchtet damit du von der Seite besonders gut zur Geltung kommst. Bei anderen Arten züchteten wir den Unterkiefer nach vorne, damit du dich problemlos in ein Bullenmaul verbeißen kannst. Wir kreuzten alles Mögliche und kreierten aus deinem Ursprung Rassen, die während der Apartheid dunkelhäutige Menschen durch Südafrikas Straßen jagten. Wir entwickelten Hunde, die sich besonders gut zum Kampf eignen, weil ihre Toleranzgrenze sehr niedrig ist und sich gegenseitig schwer verletzen. Am Ende machten wir aus dir Monster, gaben dir die Schuld und verbreiteten Schreckensnachrichten über dich, die vielen Leuten Angst machen. Sie verurteilen dich schon bevor sie dir begegnen. Wir benutzen deine Freundin als Geburtsmaschine, sie lebt eingepfercht auf engstem Raum. Ihre Vorder- und Hinterläufe sind verkümmert, weil ihre einzige Aufgabe ist Nachwuchs zu generieren, um ihren Halter zu bereichern. Euer Nachwuchs wird dann zunehmend im Internet angeboten und von Menschen gekauft, die nicht verstehen wollen, dass du keine Ware bist. Wenn wir sehr grob zu dir waren, weil wir uns einfach nicht die Mühe machten dein Wesen zu erkennen, kann es sein, dass wir dich töten lassen. Wenn wir keine Zeit mehr für dich haben, weil wir die Entwicklung unserer Lebensumstände falsch eingeschätzt haben, binden wir dich an Autobahnraststätten fest. Oder wir werfen dich in Mülltonnen und gehen weg, als hätte es dich nie gegeben. Manche Menschen hegen so viel Groll gegen dich, dass sie Köder auslegen, die mit Nägeln, Rasierklingen oder Gift präpariert sind, an denen du elendig zugrunde gehst, wenn du sie frisst. Manchmal landest du auch unter einem Tannenbaum und sollst das Leben deines zukünftigen Besitzers bereichern. Es gibt Menschen, die binden dir Schleifchen in die Haare, ziehen dir Mäntelchen an, verhätscheln dich und tragen dich durch die Gegend, wie ein Objekt.
Für mich bist du einfach Alles, der treueste Begleiter, den ich mir je hätte wünschen können. Du schmiegst dich zärtlich an mich und bittest mich freundlich dich wahrzunehmen. Du liebst meine zärtlichen Berührungen, wenn ich dich streichle oder dein schönes Fell pflege. Es ist dir egal wie ich aussehe oder rieche, es reicht dir völlig, dass ich bin. Du erwartest nichts von mir, sondern wartest einfach ab, was als Nächstes passiert. Wenn du mit offenem Maul durch die Gegend tollst, spüre ich deine pure Lebensfreude und bin genauso glücklich wie du. Wenn du dich übertreibst und ich dich schützen muss, wirfst du dich auf den Boden und zeigst mir unterwürfig deine Flanke. Wir beide wissen, dass du dich furchtbar aufregen und reinsteigern kannst, aber ein kurzes „Sssst …“ von mir, bringt dich sofort wieder runter. Du schüttelst dich kurz und wirfst die angestaute Energie einfach von dir ab. Sind wir uns uneinig, ob du das Eichhörnchen jagst oder nicht, bist du mir nicht böse, wenn ich es unterbinde. Nie trägst du mir nach, was ich versäume. Manchmal wird mir dein Buhlen zu viel, dann gehst du einfach wieder und versuchst es später noch mal. Obwohl du so stark bist, kennst du auch Angst und bellst, bis die Gefahr vorbei ist. Du beschützt mich und jeden, den du als Teil deines Rudels anerkennst. Wenn du krank bist, zeigst du es mir nicht, weil deine Herkunft und das Rudel, aus dem du stammst, die schwächsten Mitglieder aufforderte zu gehen, aber ich spüre es. Du kannst zutiefst trauern, wenn du einen Freund verlierst und tagelang lethargisch in einer Ecke verweilen, einmal sah ich Tränen in deinen Augen. In unbeobachteten Momenten stiehlst du Essen vom Tisch, nicht weil du hungrig bist, sondern weil dein Notfallprogramm dir sagt, dass auch magere Zeiten kommen werden. Dein einzigartiger Geruch lässt mich erkennen, wie es dir geht. Während der Geschlechtsreife riechst du scharf, wie früher die Jungs in der Umkleidekabine, bist du krank riechst du käsig und bei Regen muffig.
Du bist pure Energie, reine Emotion, immer aufrichtig, mutig, kraftvoll, geduldig, stolz und verlässlich. Ganz egal, ob du groß bist oder klein, glatt oder struppig, dick oder dünn. Du bist mein Held, der beste Freund, den ich je haben werde.
Mein Hund und ich. Genre: Anthologie mit Kurzgeschichten der Kategorie Prosa und Lyrik, Verlag: Papierfresserchens MTM-Verlag, Herausgeberin Bettina Meier, ISBN: 978-3-99051-028-5