Bedürfnisse

Der Abend gestern lief suboptimal. Dein Partner kam später von der Arbeit, als Du es gewohnt bist. Du hattest einen anstrengenden Tag und mühsam schnell etwas gekocht. Als er um 19 Uhr noch nicht da war, warst Du noch locker. Dreißig Minuten später befürchtetest Du, dass ihm etwas passiert ist. Deine WhatsApp an ihn blieb unbeantwortet. Die folgenden dreißig Minuten hast Du Dich von 0 auf 100 gedacht. Warum meldet er sich nicht? Die Nudeln …ungenießbar. Warum denkt er immer nur an sich, ist er immer so egoistisch? Um 20 Uhr hörst Du seinen Schlüssel und möchtest aus der Hose springen.

“Hallo Schatz, ist etwas später geworden.”
“Warum hast Du nicht auf meine Nachricht geantwortet?”
“Gerade als ich Dir schreiben wollte, ist mir noch ein Anruf dazwischen gerutscht.”
“Dir ist was? Deine Unzuverlässigkeit kotzt mich an! Du bist nie da, wenn ich Dich brauche!”

Das kommt Dir bekannt vor? Sicher ahnst Du, was schief gelaufen ist. Dein Sicherheitsbedürfnis wurde nicht erfüllt. Du möchtest Dich auf Deinen Partner verlassen können, wünscht Dir, dass er zu seinem Wort steht, sich an eure Abmachungen hält. Deine sozialen Bedürfnisse blieben unerfüllt. Du fühltest Dich in Deinem Wunsch nach Kontrolle nicht akzeptiert. Jetzt sind die Nudeln verkocht. Du hattest selbst einen anstrengenden Tag, Dich trotzdem aufgerafft und ein Essen gezaubert, jetzt mangelt es Dir an Wertschätzung, für Deine Situation.

Bis jetzt ahnt er noch nicht, dass Du einen anstrengenden Tag hattest. Vermutlich wird er es auch nicht erfahren, denn die Fronten sind verhärtet. Im Grunde interessiert ihn Deine Sichtweise auch nicht mehr, denn er fühlt sich angegriffen. Du bist verletzt und fühlst Dich unverstanden. An diesem Abend bleibt ihr beide auf der Strecke, jeder zieht sich in sein Universum zurück.

Falls Du diese Szene so oder ähnlich schon oft erlebt hast und etwas ändern möchtest, kann der Versuch, ein paar Parameter zu verschieben hilfreich sein. Wenn Du schon im Vorfeld einschätzen kannst, dass Dich ein volles Tagesprogramm erwartet und Du Dich bis zum Abend wirst überschlagen müssen, schreib ihm. Teile ihm mit, dass du wenig Zeit hast und bitte ihn auf dem Weg nach Hause Pizza, Kebap, oder was auch immer mitzubringen. Solltest Du jedoch ungeahnt wieder in die vertraute, unerwünschte Situation rutschen, tu dir selbst gut. Das Essen ist fertig, setz Dich hin und genieße es. Die Erfahrung lehrt, dass wir mit vollem Bauch weniger angriffslustig sind. Danach kannst Du Dich auf die Couch legen, Fernsehen, ein Buch lesen, oder tun, was immer Du gerne machst, um den Alltag hinter Dir zu lassen. Wenn er heim kommt, kannst Du Dich zu ihm setzen während er isst. Sprecht über eure Erlebnisse des Tages. Du musst nicht, wenn Du nicht magst, grüße ihn einfach und mach weiter Dein Ding.

Oft können wir nicht genau benennen, was uns verletzt. Wir spüren Ärger und das reicht aus, uns im Recht zu fühlen. Versuche von Zeit zu Zeit in Dich zu gehen und zu benennen, was Dir fehlt. Ist es Aufmerksamkeit, Nähe, Wertschätzung, Anerkennung? Wenn Du es weißt, rede darüber. Vermeide Botschaften wie “Du bist”, “immer” und “das habe ich doch schon so oft gesagt!”. Solche Vorwürfe vermitteln Deinem Gegenüber, dass er sowieso nichts richtig machen kann und frustrieren. Wenn Du den richtigen Ton findest, um Deine Botschaft verständlich zu vermitteln, wirst Du Dir Gehör verschaffen.

Überlege Dir, wie Du selbst behandelt werden möchtest.

Viel Erfolg

Marie


Du magst vielleicht auch

Kommentar verfassen