
Weiblicher Narzissmus
Das Thema Narzissmus hat schwungvoll an Aufmerksamkeit gewonnen. Die vielen Warnungen, die darüber ausgesprochen werden, zu einem Stigma geführt. Tatsächlich ist die Anzahl derer, die eine narzisstische Persönlichkeitsstörung haben, gar nicht hoch, betrifft sie doch nur 2-3 % der Bundesbevölkerung. Worum also geht es, wenn von Narzissmus die Rede ist?
Einige Männer, die narzisstische Züge aufweisen, haben das Bedürfnis nach außen zu glänzen. Sie können eloquent sein, charismatisch und gut aussehend. Sie haben Probleme, angemessen mit Kritik umzugehen. Wenn sie sich infrage gestellt fühlen, reagieren sie mit Wut. Sie brauchen das Gefühl großartig und unfehlbar zu sein. Tritt man ihnen zu nahe, fällt die fragile Hülle zusammen und die Zweifel an der eigenen Person werden laut. Um das nicht spüren zu müssen, werden sie aggressiv, um das zu überlagern, was nicht fühlen wollen. Selbst teilen sie gerne Kritik aus, machen darauf aufmerksam, was ihrer Meinung nach schief läuft, selbst wenn es ungerechtfertigt ist. Sie möchten die Meinung anderer nicht hören, vor allem dann nicht, wenn diese von ihrem eigenen Standpunkt abweicht. Sie fühlen sich dann in ihrer Integrität bedroht. Eigene unschöne Eigenschaften werden auf andere projiziert: “Was für eine arrogante Ziege …”. Männer mit ausgeprägt narzisstischen Anteilen respektieren keine Grenzen, sie setzen sich einfach darüber hinweg. Einwände wie: “das geht mir zu weit!”, werden herunter gespielt: “ach komm, jetzt stell dich nicht so an!” Sie fühlen sich durch Mitgefühl und Verständnis für ihre Person angezogen wie ein Magnet, können aber selbst keine Empathie empfinden.
Frauen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur geht es ähnlich. Allerdings kreisen sie nicht egozentrisch um das eigene Ich, wie ihre männlichen Entsprechungen, sondern sind auf der verzweifelten Suche nach sich selbst, einer eigenen Identität. Beide eint der geringe Selbstwert. Frauen fühlen sich nie gut genug. Das Gefühl richtig zu sein, kommt bei ihnen nicht an. Sie versuchen diesen Mangel im Außen zu kompensieren. Oft sind sie beruflich erfolgreich, sehen gut aus, haben das Bedürfnis besonders zu sein. Wenn sie genug Anerkennung bekommen fühlen sie sich großartig. Der kleinste Anflug von Kritik, lässt ihre Fassade bröckeln und kann sie emotional ins bodenlose stürzen. Selbstzweifel und Selbstabwertung werden überbordend. Das führt zu extremen Gefühlsschwankungen, die unerträglich werden können.
Mir geht es ebenso. Ich habe in meiner Kindheit viele Brüche erlebt. Mein Vater verschwand. Meine Mutter selbst psychisch instabil war in ihrer Reaktion auf mich unberechenbar. Wenn ich mich gefürchtet, oder andere Gefühle geäußert habe, hat sie das heruntergespielt: “ach Kind, ist doch gar nicht schlimm, nimm dir das nicht so zu Herzen”. Dadurch habe ich gelernt, dass ich meinen eigenen Gefühlen nicht trauen kann. Ist ja gar nicht so schlimm, ich bin zu empfindlich, stelle mich an. Eigene Bedürfnisse verstummten, waren nicht so wichtig, wie die meiner Mutter. Wünsche habe ich hinten angestellt, Hauptsache meiner Mutter ging es gut. Mein Vater war ja schon abgehauen, ich war überzeugt daran schuld zu sein. Ich wollte sie nicht auch noch verlieren, also versuchte ich ihr zu gefallen, machte mich klein. Es dauerte viele Jahre bis mir klar wurde, dass ich meine Bedürfnisse nicht benennen konnte, ich glaubte, ich hätte keine. Nahezu in jede Beziehung auf die ich mich einließ, fühlte ich mich an meine Mutter erinnert. Ich wollte nicht nerven, keine Ansprüche stellen. Wenn ich angebrüllt wurde, suchte ich die Schuld bei mir, als Erklärung dafür, dass diese Muster sich wiederholten. Ich war einfach nichts, wertlos wie ein Haufen Scheiße in den man tritt und sich ärgert, erbärmlich.
Beruflich lernte ich mich, nach großen Anfangsschwierigkeiten, zu etablieren. Ich genoss den Erfolg, kannte aber meine Grenzen nicht und verausgabte mich. Ich hielt mich mit Alkohol über Wasser, den ich sowohl zur Stimulation, als auch zur Entspannung missbrauchte. Und dann ging das Feuer aus.
Mein Leben hat sich seither verändert, mein Selbstwert nicht. Ich bin immer noch selbst bezogen. Ein schräger Blick und ich frage mich, was ich falsch gemacht habe. Es sickert erst langsam in mein Bewusstsein, dass Menschen auch einfach mal unabhängig von mir schlecht drauf sind.
“Die weiblich-narzisstische Maske wird überflüssig, wenn Gefühle und Wünsche ungestraft erlebt werden dürfen und die Eigenständigkeit im Handeln nicht mehr mit der Angst vor Liebesverlust gekoppelt ist”.
Bärbel Wardetzki
Wenn Du das Thema vertiefen möchtest, findest Du weiterführende Informationen unter www.baerbel-wardetzki.de, der Homepage von Bärbel Wardetzki.