Rezension Der Hof im Spiegel

Der Hof im Spiegel von Emine Sevgi Özdamar

Autorin: Emine Sevgi Özdamar, Genre: Gegenwartsliteratur, Erzählungen, Verlag: Kiepenheuer und Witsch, ISBN: 978-3-462-03001-3, 1. Auflage 2001, 132, Preis Taschenbuch €9,99

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»Jeder hat in einer Stadt seine persönliche Stadt.« »Ich bin ein Mensch vom Weg, am liebsten ist mir, im Zug zu sitzen zwischen den Ländern. Der Zug ist ein schönes Zuhause«, sagt Emine Sevgi Özdamar. Aber sie kommt auch an: an Orten wie »ihrem Hauptbahnhof« in Düsseldorf, in ihrer Wohnung dort, in Berlin Ost und West, in Amsterdam, in Istanbul – in den Theatern, in Lied- und Gedichtzeilen. Die Erinnerung an Menschen, Bilder, Situationen, Gespräche und Telefongespräche, Kindheit, Leben und Tod – alles verwebt sich mit genauen Beobachtungen des Hier und Jetzt zu einer Gedankenreise, die die Autorin auf ihre ganz eigene Weise in Bilder und Sprache formt. So versammelt dieser Band höchst lebendige und sehr persönliche Geschichten von der Erinnerung und Annäherung an Städte und Menschen, an Vertrautes und Fremdes. Emine Sevgi Özdamars Dankrede zum Erhalt des Adelbert-von-Chamisso-Preises rundet das Bild ab: mit ihrer Reise aus der türkischen in die neue, die deutsche Sprache. (Klappentext)

Emine Sevgi Özdamar hat mit diesem Buch ein Zeitzeugnis geschaffen. Sie fliegt zwischen den Theater in Düsseldorf und Berlin und ihrer Heimat Istanbul hin und her. Zuhause ist sie überall ein bisschen. Als ihre Mutter stirbt versucht Emine sie in anderen Frauen zu finden. Im Gesicht einer Zigeunerin oder in dem Weinen einer kurdischen Saisonarbeiterin, deren gepflückte Baumwolle nass geworden war, doch Emines Mutter bleibt so einzigartig, wie verschwunden.

Sie erzählt von ihrer Wohnung in Düsseldorf. Wenn sie in den Spiegel im Flur schaut, sieht sie den Innenhof ihrer Häuserzeile und dieses Bild betrachtet sie gerne. Die alte Frau deren Licht um diese Zeit immer noch brannte, wird hoffentlich nicht verstorben sein. Während sie das denkt traut sie sich nicht den Bisquit in ihrer Hand zu essen. Im Angsicht des Todes zu laute Kaugeräusche zu machen kommt ihr deplaziert vor.  Ihr Nachbar von oben, der mit dem schönen jungen Mann liiert war, der immer nähte. Die Metzgerin um die Ecke, deren Söhne in einem BMW ums Leben kamen. Emine kennt sie alle und ihre Geschichten, denn sie hört zu.

Die Autorin hat eine beeindruckende Beobachtungsgabe. Sie sieht alles und schafft es das gesehene in präzise Worte zu fassen. Ich sehe was sie sieht. Die Themen, die die Autorin bearbeitet, sind das Ankommen, das Loslassen, das Anpassen und die Verbindung zweier unterschiedlicher Kulturen. 

Fazit: Wer verstehen möchte wie Menschen sich fühlen, die bei uns eine neue Heimat finden, tut gut daran Emine Sevgi Özdamar zu folgen. Sie gibt uns einen vorwurfslosen Einblick in ihre zahlreichen Welten, auch in die des Theaters.

Die Autorin: Emine Sevgi Özdamar, geboren am 10. August 1946 in der Türkei. Arbeitsstipendium der Landeshauptstadt Düsseldorf- Adalbert von Chamisso-Preis 1999- Preis der LiteraTour Nord 1999- Im Frühjahr 2001 erschien ihr neuer Erzählband Der Hof im Spiegel- Künstlerinnenpreis des Landes NRW im Bereich Literatur / Prosa, 2001- Dritter Roman Seltsame Sterne starren zur Erde, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2003- Literaturpreis der Stadt Bergen-Enkheim, Stadtschreiberin 2003- Erhielt am 21. November 2004 den Heinrich-von-Kleist-Preis- Kunstpreis Berlin 2009 des Landes Berlin, von der Sektion Literatur der Akademie der Künste als Fontane-Preis verliehen – Verleihung der Carl-Zuckmayer-Medaille 2010- Alice-Salomon-Poetik-Preis 2012- Bayerischer Buchpreis 2021- Roswitha-Preis der Stadt Bad Gandersheim 2021- Preis der Leipziger Buchmesse 2022 (Shortlist)- Düsseldorfer Literaturpreis 2022- Georg-Büchner-Preis 2022

4.5/5

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