Liebewesen von Caroline Schmitt

Autorin: Caroline Schmitt, Genre: Fiktion, Traumen, Verlag: Eichborn, ISBN: 978-3-8479-0130-3, 1. Auflage 2023, 220 Seiten, Preis Hardcover €20,00
Vor drei Monaten war ich sicher, dass ich nicht schwanger werden konnte. Dann war ich sicher, dass der Abbruch erfolgreich gewesen und ich in meinem Körper wieder allein war. Ich lag in beiden Fällen daneben. Lios Körper ist ihr Albtraum, daran ändert auch ihr Freund Max nichts. Als sie ungeplant schwanger wird, starrt sie nicht nur fassungslos auf den positiven Test, weil jemand wie sie doch gar nicht schwanger werden kann, sondern auch auf das Ende einer mühsam erarbeiteten Normalität. Sie ist unfähig, Max von der Schwangerschaft zu erzählen, und genauso unfähig, diese zu beenden. Während das Kind in Lios Bauch wächst, prasseln Erinnerungen auf sie ein: an ihre kalte Mutter, ihren hilflosen Vater und an all das andere, das sie für immer vergessen wollte. Zum ersten Mal stellt sie sich ihrer Vergangenheit – und riskiert damit, dass alles zusammenbricht. Scharfsinnig, berührend und hochkomisch zugleich erzählt Caroline Schmitt von versehrten Körpern und Seelen, von der Kompliziertheit der Liebe und der großen Sprachlosigkeit, die alles umgibt. Vor allem aber erzählt sie die Geschichte einer großen Befreiung. (Klappentext)
Lios beste Freundin Mariam will Lio verkuppeln. Wie immer in ihrem Leben lässt Lio sich auf ein arrangiertes Treffen ein, weil sie vergessen hat Nein zu sagen. Also lernt Lio, Max während einer Kunstausstellung kennen und die Stimmung zwischen den beiden ist so abgefahren, dass ich gleich denke, die sind wie füreinander gemacht. Ihr zweites Treffen endet in Max Badewanne. Alles zwischen den beiden ist unschuldig, verspielt aber dennoch kompliziert. Lio hat ein seltsames Verhältnis zu ihrem Körper, ne eigentlich gar keins.
Ich tat, was ich immer getan hatte wenn mein Körper wie ein All-you-can-eat-Buffet geplündert wurde. Ich wartete , bis der Kunde satt war und sich verpisste.
Max ist nähesuchend, kann gar nicht genug von Lio kriegen, Lio geht auf Distanz und versucht alles zu kontrollieren, was ihr nicht gelingt. Als die beiden zum ersten Mal miteinander schlafen, ist es auch Lios erstes Mal, eigentlich, also das erste Mal, dass sie es auch will. Will sie das eigentlich? Währenddessen schaut die Autorin in Lios Kopf, der mir erklärt, warum sie so verkrampft unter Max liegt.
Es war ein Dorffest, das für Lio damit endete, dass ein besoffener glatzköpfiger Typ mit Alkoholfahne grunzend auf ihr liegt und ihre minimale Wehrhaftigkeit für Zustimmung hält. Glaubt, sich einreden zu dürfen, dass Lio mal ordentlich rangenommen werden wollte.
Im Laufe der Geschichte denkt Lio über ihre kaltschnäuzige Mutter nach, die Lio mehrfach nach der Schule mit dem Kochlöffel in der Hand empfängt, einfach weil sie schlechte Laune hat und ein Ventil braucht um sie abzulassen.
Max braucht Lio, sieht in ihr die Frau, die ihn auffängt, führt, hämelt, bestätigt, ihn versteht, seinen verloren gegangenen Selbstwert aufbaut und seine Herbst-Winter Depression aushält. Lio braucht Max, um ihren Körper und ihre Wut zu verstehen.
Die Charaktere sind so klar, dass ich das Bedürfnis verspüre Einfluss zu nehmen, den beiden zu helfen, zu sich zu finden.
Fazit: Die Autorin hat eine zutiefst abgefuckte Liebesgeschichte geschaffen. Die Sprache ist destruktiv, ein bisschen schmutzig und extrem unterhaltsam. Die Dialoge sind so unverkrampft, verspielt, realistisch und amüsant, als stünde ich gerne dabei und würde zuhören. Das Thema, was traumatische Erlebnisse mit uns machen, hätte besser, als im Austausch zwischen Lio und Max nicht gezeichnet werden können. Es ist ein zutiefst eigenwilliges Buch, das beste, das ich in diesem Jahr bisher gelesen habe.
Die Autorin: Caroline Schmitt, Jahrgang 1992, studierte Journalismus an der University of the Arts London. Sie lebt in Berlin und arbeitet als freie Journalistin für Deutsche Welle, ZDF und funk. LIEBEWESEN ist ihr erster Roman.