Rezensionen Aspergirls

Aspergirls von Rudy Simone

Autorin: Rudy Simone, Genre: Sachbuch, Verlag: Belz, ISBN:978-3-407-85946-4, 8. deutschsprachige Auflage 2022, 286 Seiten, Preis Taschenbuch €19,95

Aus dem Amerikanischen von Ursula Bischoff

Bei genialokal kaufen

Menschen mit Asperger erscheinen manchmal sonderbar, aber durch ihre speziellen Fähigkeiten sind sie auch faszinierend, stark und attraktiv. Die Autorin, selbst ein “Aspergirl”, ermöglicht Frauen, die die Diagnose Asperger haben, einen Überblick über die Symptome, und hilft Angehörigen und Freunden im Umgang mit den Betroffenen. Die speziellen Erfahrungen in Kindheit, Schule, Karriere und Familie, Ernährung und Gesundheit, die Teilnahme am öffentlichen Leben, das sind die Themen dieses einzigartigen Ratgebers. Weltweit ist dies das einzige Buch zur Situation weiblicher Asperger-Betroffener.
“Niemand kann einen Weg besser beschreiben als diejenigen, die ihn gehen. Rudy Simone und die Mädchen und Frauen, die in diesem Buch ihre persönlichen Erfahrungen geschildert haben, geben ein Wissen aus erster Hand weiter, das für die Gemeinschaft von unschätzbarem Wert ist. Das Ganze ist mit praktischen Tipps abgerundet, die dazu beitragen sollen, das Leben zu bereichern und zu genießen.” Liane Holliday Willey, Gründerin der Asperger-Gesellschaft von Michigan. (Klappentext)

Es klingt nach Feenwesen, wenn ich von diesen ganz besonderen Begabungen höre, die Frauen, die vom Asperger-Syndrom begleitet werden, durch das Leben trägt.

Die schier unglaubliche Konzentrationsfähigkeit: Die betroffenen Frauen können stundenlag die gleiche Sache machen zum Beispiel Lesen, ohne geistig zu ermüden. Sie sind so sehr in ihrem Tun, dass sie vergessen zu Essen oder Trinken. Im Umkehrschluss neigen sie dazu sich zu vernachlässigen, den ganzen Tag ungewaschen am Schreibtisch zu sitzen, Hunger- und Durstgefühle zu übergehen, einfach weil das Sammeln von Informationen vorrangig ist. Wenn Asperger-Frauen ihrem Bedürfnis nach Input nicht nachgehen können, kommt schlechte Stimmung auf, die zur Traurigkeit ausufern kann

Autostimulation: Normalerweise reagiert unser Körper auf Überforderung mit Notbremsen, wie Migräne, Sodbrennen, Muskelkater und dergleichen. Bei von Asperger-Betroffenen kann es zu Übersprungshandlungen kommen. Stereotype motorische Verhaltensweisen wie, Schaukeln, Herumwirbeln, auf-und ab Hüpfen, Summen, mit den Händen flattern, den Fingern schnippen und vieles mehr. Die Betroffenen versuchen, ihre Überforderung durch belastende Emotionen, in der Interaktion mit anderen zu kompensieren. 

Scham- und internalisierte Schuldgefühle: Die Betroffenen bekommen schon sehr früh ihre Defizite im Umgang mit anderen gespiegelt. Eltern, Lehrer, Erzieher, Autoritäten geben ihnen von Kindheit an das Gefühl, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, weil sie sich anders verhalten. In der Regel verstehen Asperger-Autisten nicht was sie falsch machen, das hinterlässt ein tiefes Gefühl von Unzulänglichkeit und Selbstzweifeln.

Pubertät und Mutismus: Während die hormonelle Veränderung Jungen und Mädchen, die nicht zum autistischen Formenkreis gehören gleichermaßen verstört, finden bei Asperger-Betroffenen noch schwerwiegendere Symptome statt. Mutismus ist eine Kommunikationsstörung, die uns verstummen lässt, besonders, wenn wir überfordert sind.

Wir erstarren, ähnlich wie ein Reh, das vom Scheinwerferlicht eines Autos erfasst wird. S. 85

Die Autorin beschreibt im weiteren Verlauf ihres klugen Buches, wie Asperger-Autistinnen mit Sexualität, Beziehungen, Freundschaften und sozialen Kontakten umgehen. Welche Schwierigkeiten die meisten Betroffenen im Berufsleben erwartet. Die mangelnde Akzeptanz der Gesellschaft, die Verhaltensweisen, als nicht normal stigmatisiert und ablehnt. Sie spricht von Wutausbrüchen, Depressiven Zusammenbrüchen und posttraumatischen Belastungsstörungen als Reaktion auf das frühkindliche Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung. Und die Vertreibung aus dem Paradies, weil man anders ist als gemeinhin erwartet wird. Gerade bei Mädchen ist die Diagnosestellung schwierig, weil Mädchen auch aufgrund ihrer Erziehung angepasster sind, sich bemühen, nicht aufzufallen. Daher vergehen oft Jahrzehnte bis überhaupt jemand erkennt, dass eine Beeinträchtigung aus dem autistischen Formenkreis vorliegt. Und da sitzen die unangenehmen Erfahrungen mit anderen schon so tief und die Selbstzweifel sind so groß, dass sich schwerwiegende Erkrankungen entwickelt haben.

Fazit: Dieses Buch hat mir das Thema, das weiter verbreitet ist als ich dachte, näher gebracht. Es ist gespickt mit Fallbeispielen von betroffenen Frauen, die von der Autorin interviewt wurden. Welche könnte uns besser an ein Thema heranführen, als eine, die selbst davon betroffen ist. Absolute Leseempfehlung.

5/5

Du magst vielleicht auch

Kommentar verfassen