Frieden beginnt im Kleinen

Zwei Kinder, die Arm in Arm gehen

Während ich anfange, das hier zu schreiben, sitze ich bei klarem Himmel auf der Terrasse und lasse mich von ersten Frühlingssonnenstrahlen wärmen. Einer unserer Hunde schaut mich vorwurfsvoll an und jammert. Er inspiriert mich. Sein Unmut ist nicht neu, hat sich eingeschlichen, kam nicht über Nacht. Wir ließen ihn darin gewähren und unterbanden es einfach nicht. Die Gründe für seine Unzufriedenheit sind vielzählig und mittlerweile wurde daraus Gewohnheit.

Unsere Gesellschaft hat sich entwickelt und verändert. Corona, der Krieg in der Ukraine und die wirtschaftliche Entwicklung haben uns misstrauisch gemacht. Das soziale Gefüge ist ein anderes geworden. Wir grenzen uns ab, lassen andere nicht mehr so nah an uns heran, wie es in einer schönen Gemeinschaft möglich wäre. Das, was wir von uns preiszugeben bereit sind, ist ein Bild, dem wir gerne entsprechen möchten, vielleicht, weil wir glauben, dass es von uns erwartet wird.

Täglich bekommen wir auf dem Präsentierteller angerichtet, was richtig und falsch ist. Irgendwer erklärt uns, warum gesunde Ernährung, die einzig richtige ist und warum Antioxidantien den Alterungsprozess aufzuhalten vermögen. Ein paar (Power) Asanas pro Tag, schützen uns vor lebensbedrohlichen Herz,- Kreislauferkrankungen. Die Sonne gilt es zu meiden, und stattdessen sollten wir unseren Vitamin D Spiegel mit Vigantolvit heben. Führt die Prostata ihr Eigenleben hilft Viagra zu mehr Stehvermögen. Vitalität scheint die Anforderung dieses Jahrhunderts zu sein. Wer dem Siechtum verfällt, trägt einfach selbst Schuld, zu bequem, zu undiszipliniert und seinen schlechten Gewohnheiten hilflos ausgeliefert …schwach.

Erfolg ist das Zauberwort in aller Köpfe. Wurden wir vor einigen Jahren noch an dem gemessen was wir haben, liegt das Augenmerk heute darauf, was wir zu sein scheinen oder vorgeben zu sein. Es geht oft nur darum, wie mir jemand nützlich sein kann, wie ich an dem, was ein anderer augenscheinlich erreicht hat teilhaben kann.

Nach der großen Welle des Individualismus der achtziger Jahre, sind wir nun dazu übergegangen, jeden auszugrenzen, der aus der Reihe tanzt. Aus dem schwarzen Schaf wurde der Anpassungsgestörte. Der Eigenbrötler ist jetzt ein Soziopath und die Introvertierten haben eine autistische Persönlichkeitsstörung. Der asoziale Teil unserer Gesellschaft ist nun der, der nicht alles mitmachen möchte, nicht jeder Strömung folgt. Die großen Alltagshelden unserer Zeit sind die, die sich bestmöglich an das System anpassen.

Was stört wird eingeordnet und mit einem Aufdruck versehen. Alles wird schwarz-weiß betrachtet, das spart Zeit und intellektuelle Kapazität. Kritiksucht ist riesig, die eigene Überheblichkeit unschlagbar. Den meisten Menschen gelingt es nicht mehr zuzuhören. Eine andere Meinung diskreditiert sie so sehr, dass sich Empörung breit macht. Einsicht oder Nachgeben, ist zu einer Schwäche geworden, die es zu vermeiden gilt, um tunlichst im Recht zu bleiben. Wir denken zu viel und fühlen zu wenig, reden zu oft ohne zu Handeln.

Empathie hat sich zu einem Phänomen entwickelt. Ein Attribut aus einer längst vergangenen Zeit. Die Gabe, sich in einen anderen hineinzuversetzen, seine Beweggründe zu verstehen versuchen, wurde verzichtbar, zu gefährlich sich berühren zu lassen. Stattdessen nimmt sich fast jeder als Mittelpunkt des Daseins wahr, mit eigenen Problemen, die wichtig sind, eigenen Regeln und dem Recht auf Anerkennung all dessen. Aus dem ehemaligen Wunsch nach Individualismus wurde Egoismus. ICH, ist das Wort, das jeder Verständigung im Wege steht.

Aus mein Haus, mein Auto, mein Feriendomizil, wurde meine Meinung, meine Befindlichkeiten, mein Lebensinhalt. Mir kommt das Wort Demut in den Sinn, dessen Inhalt ebenso überfrachtet ist, wie die Bedeutung der Worte Liebe oder Glück. Viele Menschen sind auf der Suche danach, ohne zu wissen, was sie da eigentlich zu finden glauben. Es ist diese Haltung des Zurücknehmens, des Erkennens, nicht der Nabel der Welt zu sein, sondern ein winziger Teil des großen Ganzen. Atmen, Fühlen, Geschehen lassen, keinen Einfluss nehmen, nicht kontrollieren.

Ich habe diesen Wunsch, dass wir alle von unseren hohen Rössern herabsteigen, einen Blick wagen, in die Gefühlswelten der Menschen, die uns umgeben, dass wir den Mut finden echte Verbundenheit herzustellen. Ich wünsche mir, dass wir diese Gabe, anderen frei von Eigennutz zu helfen wieder kultivieren. Es sind Kleinigkeiten. Die alte Dame, die den Chip nicht in den Einkaufswagen bekommt. Der Obdachlose mit dem leeren Hut vor sich auf der Straße. Eine Türe aufhalten. Und Lächeln. Einer anderen signalisieren, dass wir sie als Mitmensch respektieren und sie anlächeln. Träume ich nur, oder ist das möglich?

MarieOn

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