Rezensionen Hund Wolf Schakal

Hund Wolf Schakal von Behzad Karim Khani

Autor: Behzad Karim Khani, Genre: Gegenwartsliteratur, Verlag: Hanser Berlin, ISBN: 978-3-446-27378-8, 3. Auflage 2022, 287 Seiten, Preis Hardcover €24,00

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Behzad Karim Khanis Debüt über das Schicksal zweier Brüder verbindet die Härte der Straße mit der Melancholie iranischer Prosa. „Zehnmal besser als jedes ,4 Blocks‘.“ (Ijoma Mangold)
Nach der Hinrichtung der Mutter im Tumult der Iranischen Revolution fliehen der elfjährige Saam und sein kleiner Bruder Nima mit ihrem Vater nach Deutschland. Doppelt fremd im arabisch dominierten Neukölln, fristet der Vater ein Leben zwischen Taxifahren, Backgammon und Scham, während Saam versucht, die Rolle des Familienoberhaupts auszufüllen. Mit allen Mitteln erkämpft er sich Respekt unter den brutalen Straßengangs, um seinen Bruder Nima zu beschützen. Bis er eines Tages zu weit geht.
In seinem spektakulären Debüt schreibt Behzad Karim Khani über die komplizierten Schicksale von Revolutionären, Kleindealern und Messerstechern und entwickelt dabei einen ganz eigenen Sound, in dem sowohl die Melancholie iranischer Prosa als auch die Härte afroamerikanischen Raps anklingen. (Klappentext)

Saam und Nima, sein jüngerer Bruder wachsen in Berlin Neukölln auf. Ihr Vater Jamshid, ist mit ihnen aus dem Iran geflohen, ihrer Heimat, nachdem ihre Mutter vom Regime ermordet wurde. Saam versucht in die Rolle des Familienoberhauptes zu schlüpfen, weil er das seinem friedliebenden Vater nicht zutraut. Jamshid leidet still, ganz für sich allein, verschleißt sich, wie ein Mann. Er hat sich in seine neue Gegenwart gefügt, einzig seine Überzeugungen sind ihm geblieben, die er für sich behält.

Der iranische Zucker war feiner in der Körnung, und Jamshid war der Überzeugung, dass er fester gepresst wurde, dadurch weniger Luft einschloss, und weniger Luft hieß weniger Bläschen, weniger Geräusche beim Eingießen und beim Rühren. Mehr brauchte es nicht um Kultur von Barberei zu unterscheiden. S. 177 

In der Schule trifft Saam auf Haydar, einen Jungen aus dem Libanon, der zwei ältere Brüder hat, die sich für den fast unausweichlichen Weg in die Bandenkriminalität entschieden haben. Und so rutscht allmählich auch Saam immer mehr in dieses Lebensmodel aus Hirarchien. Umgibt sich mit coolen jungen Männern, lernt die Sprache der gewaltvollen Überlegenheit und versucht damit seine Unterlegenheit, Unsicherheit und Scham zu kaschieren. 

Saams Bruder hingegen macht ganz andere Erfahrungen, lernt ein deutsches Mädchen und deren Eltern kennen. Zuerst erscheinen ihm alle so locker und aufgeschlossen, bis er ein Gespür für deren Oberflächlichkeit bekommt. 

In eine andere zehn, zwölf Kilometer entfernte Galaxie, in der eine Suppe ein Gesprächsthema sein konnte und The Dark Side of the Moon über Boxen lief, an die ihre Besitzer glaubten und von denen sie redeten wie von Kathedralen. S. 174

Fazit: Ein großartiger völlig plausibler Gegenwartsroman. Seine orientalischen Schlenker machen die Sprache besonders. Die ganze Stimmung ist melancholisch. Behzad Karim Khani hat trotz der realistischen Schlagkraft ein leises Werk geschaffen, voller geflüsterter Emotionen. Und ebenso wie der Roman leise ist, ist er politisch. Ich begreife, warum Integration , so wie wir uns das vorstellen, nicht funktionieren kann und ich verstehe den Mechanismus hinter den Clans in Berlin Neukölln, Essen oder Frankfurt. 

Der Autor: Behzad Karim Khani wurde 1977 in Teheran geboren, seine Familie ging 1986 nach Deutschland. Er studierte Medienwissenschaften und lebt heute in Berlin-Kreuzberg, wo er schreibt und die Lugosi-Bar betreibt. Für sein Debüt ‚Hund, Wolf, Schakal‘ (2022) erhielt er den Debütpreis des Harbour Front Literaturfestivals.

5/5

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