Rezensionen Die Entschuldigung

Die Entschuldigung von Eve Ensler

Autorin: Eve Ensler, Genre: Biografie/Autobiografie, Verlag: Ullstein, ISBN: 978-3-550-20107-3. 1.Deutsche Auflage 2021, 139 Seiten, Preis Hardcover € 20,00

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Amelie Thoma

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Eve Ensler hat ihr Leben lang auf eine Entschuldigung gewartet. Von ihrem Vater, der sie als Kind missbraucht hat. Doch sie wartete vergebens, bis er schließlich starb. Kein Wort der Reue, keine Anerkennung ihres Leids. Nun, Jahrzehnte später, hat Ensler sich selbst einen Brief geschrieben, im Namen ihres Vaters, und bittet an seiner statt um Entschuldigung. Zeile für Zeile erobert sich Ensler ihren Vater, versucht seine Monstrosität nachzuzeichnen, aber auch den Menschen zu sehen. In dem Maße, in dem Arthur Ensler anerkennt, was er seiner Tochter angetan hat, ihr das Wie und Warum gesteht, kann sie ihn loslassen, sich von seinem Erbe befreien und zu sich selbst finden. (Klappentext)

Dieser Brief ist mein Versuch, meinen Vater mit dem Willen und den Worten auszustatten, die Grenze zu überwinden und Abbitte zu leisten, damit ich endlich frei sein kann. S. 7

So lautet der Plan der Autorin und tatsächlich wird dieser Brief eine Offenbarung. Eve Ensler schreibt einen Brief an sich selbst, den ihr Vater ihr hätte schreiben sollen, als dieser noch lebte. Doch er äußerte sich nie zu dem jahrelangen Missbrauch seiner Tochter, darüber was er ihr damit angetan hat. Im Gegenteil, er bagatellisierte und verharmloste sein Handeln.

Es beginnt damit, dass die Autorin ihren Vater liebt, eben so, wie jedes kleine Mädchen seinen Vater zutiefst liebt und verehrt. Der Vater schätzt Eves Liebe und  Bewunderung, zumal die seiner Frau nicht mehr so groß ist. Nun ist Eves Vater jedoch ein Mensch, der diese Bewunderung braucht, weil sie seinen schwachen Selbstwert aufrecht hält. 

An einem Abend schleicht er in ihr Zimmer und geht entschieden zu weit. In Eve zerbricht etwas ganz entscheidendes, ihr Vertrauen. Sie weiß als kleines Mädchen instinktiv, dass etwas schief gelaufen ist.  Der Roman ist harter Stoff, weil Eve Ensler sehr detailliert die Sicht ihres Vaters aufzeigt, das Machtgefüge zwischen ihnen, seine Zerrissenheit, weil er mit seinen Übergriffen nicht mehr aufhören kann. Als sie sich widersetzt versucht er sie ganz bewusst zu züchtigen und zu brechen.  

Die Herangehensweise der Autorin an dieses schwierige Tabuthema habe ich bisher nirgends gesehen. Ich kann mir vorstellen, dass es ein Befreiungsschlag war. 

Fazit: Das Buch ist ein Muss für alle, die Pädophilie, ebenso wie pathologischen männlichen Narzissmus verstehen wollen. Zwischenzeitlich wollte ich das Buch in die Ecke schmeißen und nichts mehr damit zu tun haben, weil einige Szenen Unverständnis und Brechreiz hervorriefen. Wenn das schockierende sich dann erst einmal gesetzt hat, bleibt tiefes Mitgefühl für die Autorin.

Die Autorin: Eve Ensler (* 25. Mai 1953 in New York City, New York) ist eine US-amerikanische Dramatikerin, Schriftstellerin, Künstlerin und feministische Aktivistin, die mit dem Theaterstück Vagina-Monologe berühmt wurde. Newsweek wählte sie als eine der 150 Frauen, die die Welt veränderten, und für The Guardian ist sie eine der 100 einflussreichsten Frauen der Welt. Ensler lebt in New York.

 

 

 

4.5/5

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