Rezensionen Die Vermesserin der Worte

Die Vermesserin der Worte von Katharina Seck

Autorin: Katharina Seck, Genre: Literarische Fiktion, Verlag: HarperCollins, Randomhouse, ISBN: 978-3-365-00568-2, 1. Auflage 2024, 253 Seiten, Preis Hardcover €24,00

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Wenn die Liebe zu Geschichten ein Licht im Dunkeln ist
Ida ist eine Autorin ohne Worte. Ihr Kopf ist so leer wie die weißen Blätter Papier auf ihrem Schreibtisch. Aus der Not heraus nimmt sie einen Haushaltsjob an und lebt fortan bei der älteren Dame Ottilie, die ungern spricht und mit jedem Tag ohne Worte und Silben ein wenig mehr zu verblassen scheint. In dem heruntergekommenen Herrenhaus findet Ida bald unter dicken Schichten aus Staub, Moder und Vergangenheit unzählige Schätze aus Papier und Erinnerungen; Erinnerungen eines Lebens in Glanz, der nach und nach abblättert. Bald erkennt Ida, dass Ottilies Faden zur Gegenwart zu reißen droht – und Ida Worte finden muss, um Ottilies Verblassen zu verhindern. Im Schein des Kaminfeuers beginnt Ida eine Geschichte zu erzählen, die nicht nur Ottilies alte Wunden zu heilen vermag, sondern auch Ida eine Antwort auf ihre drängendste Frage liefert – jene nach dem Gewicht der Worte. (Klappentext)

Die neunundzwanzigjährige Ida hat schon ein paar Bücher veröffentlicht. Zur Zeit lebt sie von dem Vorschuss, den ihr Verlag ihr für die nächste Geschichte gezahlt hat aber Ida hat ihre Worte verloren. Obwohl sie ihn nie um Geld gebeten hat akzeptiert ihr Vater ihren Beruf nicht. Wenn er sie einmal anruft folgt eine Litanei an Vorwürfen, bis Ida sich klein und nichtig fühlt und ihre Gedanken endlos um seine Worte kreisen lässt.

Der einzige Mensch, zu dem Ida regelmäßig Kontakt hat, ist ihr Postbote und der bringt ihr eine Zeitungsannonce, mit einem Jobangebot. Nur weil der Druck steigt, ihre Agentin sie merken lässt, dass sie nicht mehr wünscht vertröstet zu werden und Ida nicht weiß, wovon sie die nächste Miete bezahlen soll, macht sie sich auf den Weg  zum Adressaten der Anzeige.

Als Ida aus dem Zug steigt, wird sie von dem alten Herrn erwartet, mit dem sie telefoniert hatte, er begleitet sie zu ihrer neuen Arbeitgeberin. Kurz vor dem riesigen Anwesen überlässt er Ida sich selbst und zieht sich mit hängenden Schultern zurück. Im Inneren des Hauses findet Ida staubig trübes Tageslicht und eine abweisende alte Dame, die ihr kurz angebunden, einige Anweisungen gibt. Ida darf keinesfalls die Räume im Flur der rechten Etage betreten. 

Nachdem sie sich umgesehen, und ein kleines Reich für sich persönlich erobert hat, tritt sie ihren Job an und beginnt zu putzen. Nachdem Ida sich einige Tage lang durch das Haus gereinigt hat, vermisst die Hausherrin den Staub. Sie wirkt verzweifelt, wie sie vor Ida steht, mit flackerndem Blick, den Kaffeeflecken auf der Bluse und den mit Farbe übermalten Lippen. Viel kleiner als gestern, als sie vom oberen Treppenabsatz auf Ida heruntergeredet hatte. 

Fazit: Was für eine phantasie – und liebevolle Geschichte über das Alter, das Vergessen und Verschwinden. Die Autorin hat den Charakter der alten Dame schön eingefangen, ihre Krankheit, die Demenz gekonnt eingefügt. Selbst für mich als Leserin ist es traurig mit anzusehen, wie eine so große Persönlichkeit, die in ihrem Leben vieles gewagt hat, das Mut erforderte, um ihren eigenen Weg zu finden, immer mehr verblasst und verschwindet und einfach vergessen wird. Und es ist auch eine Liebesgeschichte zwischen einer weisen alten Frau, die ihre Lebenserfahrung mit einer jungen Frau teilt, die ihre Enkelin sein könnte. Der Schreibstil ist leicht gewöhnungsbedürftig, etwas altbacken aber auch zärtlich. Diese Geschichte habe ich mit Leichtigkeit und überraschend gerne gelesen.

Die Autorin: Katharina Seck wurde 1987 in Hachenburg geboren und wuchs in dieser mittelalterlichen, von einem Schloss gekrönten Kleinstadt im Westerwald auf, wo sie noch heute lebt und als Autorin arbeitet. In ihrer Freizeit beschäftigt sie sich mit ihren liebsten Menschen und Tieren, Kunst sowie politischem Aktivismus. Mehr Infos zur Autorin finden sich auf katharinaseck.de

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