Rezensionen Identitti

Identitti von Mithu Sanyal

Autorin: Mithu Sanyal, Genre: Fiktion, Satire, Verlag: Hanser, ISBN: 978-3-446-26921-7, 12. Auflage 2021, 432 Seiten, Preis Hardcover €22,00

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Was für ein Skandal: Prof. Dr. Saraswati ist WEISS! Schlimmer geht es nicht. Denn die Professorin für Postcolonial Studies in Düsseldorf war eben noch die Übergöttin aller Debatten über Identität – und beschrieb sich als Person of Colour. Als würden Sally Rooney, Beyoncé und Frantz Fanon zusammen Sex Education gucken, beginnt damit eine Jagd nach „echter“ Zugehörigkeit. Während das Netz Saraswati hetzt und Demos ihre Entlassung fordern, stellt ihre Studentin Nivedita ihr intimste Fragen. Mithu Sanyal schreibt mit beglückender Selbstironie und befreiendem Wissen. Den Schleudergang dieses Romans verlässt niemand, wie er*sie ihn betrat. (Klappentext)

Der Roman beginnt in rasantem Tempo und lässt bis zum Schluss nicht nach. Ein Höllenritt auf Niveditas Ausdrucksweise, die teils in englisch, gespickt mit Kürzeln und Übersetzungen daherkommt. Nivedita ist selbstironisch, auch weil sie sich nie sicher ist, wer sie ist und ebensowenig sicher sein kann, wer die anderen sind. Ihr Kopf ist ein quecksilbriger Springbrunnen voller inellektueller Fragen und Antworten. 

Nivedita hält Zwiesprache mit der Göttin Kali, wann immer sie ihr begegnet. Kali denkt toleranter als Nivedita, macht keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern und auch Hautfarben interessieren sie nicht wirklich. 

Als Niveditas berühmte Professorin Saraswati einen Shitstorm erlebt, ist Nivedita stinksauer. Nicht auf den Shitstorm sondern auf die Professorin, denn die maßte sich an, eine Identität vorzutäuschen, und sich damit einen Platz auf dem postkolonialen Lehrstuhl ergaunert zu haben. Dahin sind Niveditas Bewunderung und der Glaube an die Richtigkeit Saraswatis süßer Worte.

Die Diskussionen, die sich jetzt zwischen Nivedita und Saraswati ergeben, brennen durch Niveditas Unverständnis und ihre Feindseligkeit. Es geht um Sex, Daseinsberechtigung, Weiß-sein, People-of- Coulor-sein, Schwester-eines-durchgeknallten-Bruderssein oder umgekehrt. 

Fazit: Die Geschichte ist genial dazu geeignet, die eigene Weltsicht zu hinterfragen. Ich habe mit einigen Menschen gesprochen, die dieses Buch als eine Art Hymne feiern, deshalb glaube ich daran, dass es ein gutes Buch ist. Und obwohl ich die Debatten so wichtig finde, hat es mich einfach nicht abgeholt, dennoch möchte ich es empfehlen.

Die Autorin: Mithu Sanyal wurde 1971 in Düsseldorf geboren und ist Kulturwissenschaftlerin, Autorin, Journalistin und Kritikerin. 2009 erschien ihr Sachbuch „Vulva. Das unsichtbare Geschlecht“, 2016 „Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens“. 2021 erschien bei Hanser ihr erster Roman Identitti, der auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises war und mit dem Literaturpreis Ruhr und dem Ernst-Bloch-Preis 2021 ausgezeichnet wurde.

3.5/5

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