Rezensionen Intimitäten

Intimitäten von Katie Kitamura

Autorin: Katie Kitamura, Genre: Fiktionale Literatur, Verlag: dtv, ISBN: 978-3-423-14903-7, 1. Auflage bei dtv 2024, 220 Seiten, Preis Taschenbuch €14,00

Aus dem Englischen von Kathrin Razum

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Über Sprache, Macht und deren Grenzen
Die heimatlose Erzählerin verlässt New York, um am internationalen Gerichtshof in Den Haag als Dolmetscherin zu arbeiten. Als sie Adriaan kennenlernt, scheint die Stadt zur Antwort ihrer Sehnsucht nach einem Ankommen zu werden. Doch dann verschwindet er zu seiner Noch-Ehefrau und hinterlässt nichts als Fragen. Fragen, die sich zu einem existenziellen Abgrund auftun, als sie für einen angeklagten westafrikanischen Kriegsverbrecher dolmetschen muss und zweifelt: Was ist kalkulierte Lüge, was Wahrheit? Glauben nur noch die Naiven an Gerechtigkeit? Wer kann über wen richten? Katie Kitamuras subtiler Roman ist ein intellektuelles Vergnügen mit hypnotischer Sogwirkung. (Klappentext)

Nachdem der Vater der namenlosen Ich-Erzählerin von seinen Leiden der Altersschwäche erlöst wurde, geht ihre Mutter, in die Heimat Singapur zurück. Sie selbst, fühlt sich jetzt frei genug, eine weitreichende Entscheidung zu treffen und geht an den Gerichtshof in die Niederlande. Sie mag die Mentalität der Menschen dort, die sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Allerdings ist die Athmosphäre gegenüber New York, ihrem vorherigen Wohnort, eher familiär. 

Die einzige Freundin Jana, Kuratorin, bezeichnet sich als Haushälterin einer Nationalgalerie, ist wesentlich aufgeschlossener als sie. 

Die Aufgabe der Dolmetscher*innen am Gerichtshof ist deffiziel und erfordert großes Einfühlungsvermögen.

Ein Gerichtsverfahren war eine wohlkalkulierte komplexe Darbietung, an der wir alle beteiligt waren und aus der sich niemand vollkommen heraushalten konnte. Aufgabe der Dolmetschenden war es nicht nur, etwas mitzuteilen oder darzubieten, sondern auch das unaussprechliche zu wiederholen. S. 20

Der Gerichtshof befasst sich ausschließlich mit Genoziden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und verhandelt Kriegsverbrecher. 

Während einer Demonsrtration vor dem Gerichtshof, drückt ihr einer der Teilnehmenden ein Flugblatt in die Hand, das sie nachdenklich stimmt. Die Demonstranten sind Anhänger eines afrikanischen Präsidenten, der in den nächsten Monaten verhandelt werden soll. Sie werfen dem Gerichtshof, die Konzentration einzig auf Anklageerhebung gegen afrikanische Machthaber vor. Es sei ein abgekartertes Spiel der Imperialisten Amerika und Frankreich.

Fazit: Die Geschichte ist so glaubhaft, als handele es sich wirklich um den internationalen Gerichtshof. Der Schreibstil ist großartig, jedes Wort sitzt. Die Autorin hat sich in jeden ihrer Charaktere zutiefst eingefühlt. Sie baut langsam auf der Entwurzelung der Protagonistin auf. Ihre Einsamkeit färbt die Stimmung melancholisch. Ihre Moralvorstellungen konterkarieren ihre Arbeit als Übersetzerin. An den charismatischen Machthabern sieht sie ihre eigene Machtlosigkeit. Sie fühlt sich immer mehr als Werkzeug, verliert zunehmend ihre Konturen. Die Hoffnungen, durch den Mann, dem sie ihr Vertrauen schenkte, heimisch zu werden, schwinden. Ein wirklich gut durchdachtes Psychodrama, das ich sehr gerne gelesen habe. Ein Wunder, dass es noch nicht verfilmt wurde.

Die Autorin: Katie Kitamura, 1979 in Kalifornien geboren, ist eine amerikanische Schriftstellerin, Journalistin und Literaturkritikerin. Sie schreibt für zahlreiche Zeitungen, darunter -The New York Times-, -Wired- und -The Guardian-. Katie Kitamura lebt in New York.

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